1 Einleitung
In dem von der deutschen Gesellschaft für Onkologie (DGO) in Kooperation mit der Klinik St. Georg, Bad Aibling, abgehaltenen Seminar, wollen wir uns schwerpunktmäßig mit der Epidemiologie und Prävention des Prostata- und Mammakarzinoms auseinandersetzen sowie neue diagnostische und therapeutische Techniken erörtern. Das Seminar wird so gestaltet, dass möglichst viele Fragen, die uns in der täglichen Praxis begegnen kompetent beantwortet werden. Dazu steht eine große Anzahl von Experten zur Verfügung.
Eine der vielen Fragen wird beim Prostata-Ca (PCa) sein: „Abwarten oder Behandeln? Bei einem Leiden wie PCa. ist die derzeitige konventionelle Therapie nämlich nicht die einzige Lösung, die gut sein kann für die Patienten. An PCa erkranken jährlich in Deutschland etwa 40.000 Männer, 11.000 sterben jedes Jahr daran. Die Männer sind zum Zeitpunkt der Diagnose durchschnittlich 71 Jahre alt.
Das PCa wächst aber äußerst langsam. Viele Männer im höheren Alter haben Krebsnester in ihrer Prostata, spüren aber bis zu ihrem Tod nichts davon.
Bei etwa der Hälfte aller 80-Jährigen finden sich Millimeter große Tumore in der Prostata. Die kleinen Krebswucherungen haben meistens keine gesundheitliche Bedeutung. Wenn sie entdeckt werden, verunsichern sie aber die Patienten. Mehrere Studien, die die Frage was besser ist, zu operieren oder abzuwarten, waren kontrovers. Wenn ein Vorteil für die OP gezeigt werden konnte, war der Vorteil meist marginal hinsichtlich Überlebenszeit. Bis es Klarheit durch neue prospektive Studien gibt, sollten Ärzte standhaft bleiben, und versuchen,Übertherapien wie Untertherapien zu vermeiden, indem sie bei jedem Patienten genau den wahrscheinlichen Verlauf des Tumors und die Lebenserwartung abwägen.
Patienten wie Ärzte werden immer häufiger mit den Risiken Überdiagnose und Übertherapie konfrontiert. Darunter verstehen wir, dass eine Krankheit diagnostiziert und behandelt wird,die der Patient ohne die Untersuchung nie bemerkt hätte. In kaum einem Fall ist die Gefahr einer überflüssigen Therapie und Diagnostik so groß wie beim PCa.. Zwischen 30 und 70Prozent der Prostatakarzinome gelten als Überdiagnosen, weil sie nie aufgefallen wären. Seit dieser hohe Anteil Überdiagnosen bekannt ist, wird der Umgang mit Männern, bei denen ein PCa. entdeckt worden ist, kontrovers diskutiert.
Manche Urologen bevorzugen die Therapie, weil sie meinen, dass dann keine Gefahr mehr besteht, egal, wie sich der Krebs entwickelt. Andere wollen den Verlauf des Krebses abwarten und den Männern unnötige Behandlungen ersparen, bei denen im schlimmsten Fall Impotenz und Inkontinenz drohen.
Der PSA-Wert ist ungenau – die Werte sind auch bei Entzündungen, nach Sex und Radfahren erhöht. Zudem liefert der Test falsch positive und falsch negative Ergebnisse – eine vermeintliche Krebsdiagnose, obwohl kein Tumor vorliegt oder Entwarnung, obwohl sich ein Krebs gebildet hat. Die Verbreitung des PSA-Tests hat dazu geführt, dass immer mehr Männer mit frühen und langsam wachsenden Krebsformen diagnostiziert werden. Eine Studie an 72.000 Männern in den USA kam im Januar 2006 zu dem Schluss, dass Männer, deren PSA regelmäßig untersucht wurde, nicht länger lebten als solche, die auf die Vorsorge verzichteten.[note]Archives of Internal Medicine, Bd. 166, S. 38, 2006.[/note] Das unabhängige Netzwerk Evidenzbasierte Medizin, das medizinische Studien prüft, stellt zum PSA-Test fest: „Der Nutzen einer solchen Maßnahme im Sinne eines verlängerten Überlebens von betroffenen Männern ist nach einhelliger wissenschaftlicher Auffassung nicht belegt.” Es gibt viele Methoden zur Früherkennung von Krebs, die besser sind als der PSA-Wert.
Dabei soll nicht übersehen werden, dass der PSA-Wert zur Verlaufkontrolle eines PCA durchaus geeignet ist. Eine neue Welt erschließt sich uns hier vielleicht durch molekularbiologische bzw. molekulargenetische Methoden z.B. die Proteomics Bestimmung.
2 Fluch oder Hoffnung der Frühdiagnose?
Manche dieser Tests haben ein ausgezeichnetes Image. Je früher die Diagnose, desto erfolgreicher die Therapie und umso besser die Prognose, so ist mindestens die landläufige Meinung, aber stimmt diese Schlussfolgerung? Schließlich nutzen Untersuchungen zur Krebsfrüherkennung Patienten nur dann, wenn sie Leben verlängern oder die Lebensqualität verbessern.
Dies trifft leider nicht zu – manche Früherkennungsmethoden verlängern nur das Leiden.
Wie bereits betont verursacht das PCa in den meisten Fällen erst spät Beschwerden. Die meisten Männer sterben mit, nicht am Tumor. Bei vielen wächst der Krebs in der Prostata so langsam, dass keine Beschwerden auftreten und der Tumor ohne Früherkennungstest auch nicht bemerkt worden wäre. Zwischen 30 und 70 Prozent der PCa gelten daher als überdiagnostiziert, weil sie nie aufgefallen wären.
Die Bestimmung des PSA-Wertes ist neben Ultraschall und Tastuntersuchung der häufigste Früherkennungstest. Der PSA-Test liefert so ungenaue Ergebnisse, dass er statistisch keinen Vorteil bietet: Männer, deren Prostata regelmäßig abgetastet und mit Ultraschall untersucht wurde und die einen PSA-Test haben machen lassen, leben nach bisherigen Studien weder besser noch länger.
2.1 Warum nützt die reine Frühdiagnostik so wenig?
Hier wirft sich die Frage auf warum ist das so, eine der vielen Antworten könnte sein, dass die Frühdiagnostik zu sehr auf das Karzinom fixiert ist und dabei den Träger des Karzinoms nicht genug im Focus hat. Aus epidemiologischen Studien wissen wir, dass sowohl beim PCa als auch beim Mammakarzinom viele Faktoren bei der Entstehung ursächlich eine Rolle spielen wie z.B. Ernährungsfaktoren, Umweltgifte, Genetik, Veränderungen des Hormonprofils und des Hormonstoffwechsel, Nachlassen der Immunität etc.. Auf dieses multifaktorielle Geschehen gehen wir in dem Seminar ausführlich ein. Sehr wichtig sind die Hormone,besonders die Sexualhormone Östrogen und Testosteron, die Rezeptoren, aber auch weniger bekannte Hormone wie das Androstendion, DHEA, Melatonin und Progesteron spielen eine Rolle nicht nur in Bezug auf die Karzinogenese, sondern insbesondere auch präventiv und therapeutisch. Wir werden Diagnostik und Verlaufsbeurteilung vorstellen und Therapiehinweise geben, da dies in eine ganzheitliche Betrachtung gehört. Man wird viel über die wichtige Rolle des Testosterons lernen.
2.2 Wie sieht es beim Mammakarzinom aus?
Auch bei Brustkrebs ist die Situation nicht eindeutig: Fast 48.000 Frauen erkranken jährlich, etwa 18.000 sterben jedes Jahr. Der Nutzen der Früherkennung ist stark vom Alter abhängig.
Frauen zwischen 50 und 70 Jahren profitieren offenbar von der Mammographie. Neun von 1000 Frauen haben in diesem Alter einen bisher unbekannten Brustkrebs. Bei drei,also einem Drittel, von ihnen wird der Tumor bei der Mammographie übersehen, bei den anderen sechs jedoch entdeckt – ihnen nutzt die Früherkennung, denn ihre Überlebenschancen sind aufgrund der frühen Diagnose in der Tat etwas besser.
Die Mammographie liefert allerdings auch häufig falsch positive Befunde. 50 von 1000Frauen jenseits der 50 bekommen nach der Untersuchung einen verdächtigen Befund mitgeteilt. Diese Frauen leiden dann unendlich, müssen weitere Diagnostik über sich ergehen lassen und zahlreiche Biopsien, bis sich alles als Fehlalarm herausstellt.
2.3 Nutzen bei Frauen jenseits der 70 nicht belegt
Bei jüngeren Frauen, die eher an besonders aggressiven Tumorvarianten erkranken, ist der Nutzen der Mammographie geringer als in der Altersgruppe zwischen 50 und 70. Denn beiden unter 50-Jährigen werden noch häufiger falsche Befunde erhoben – bei 100 von 1000Mammographien ist dies der Fall. Die Brust der Frauen in diesem Alter ist dichter, und Krebs deshalb schwerer zu diagnostizieren. Zudem haben in der Altersgruppe der Frauen, die jünger als 50 sind, nur drei von 1000 einen unentdeckten Brustkrebs. Die Folge: In diesem Alter wird ein Tumor entweder häufiger übersehen oder die Diagnose Krebs fälschlicherweise gestellt.
Auch bei Frauen jenseits der 70 ist der Nutzen der der Mammographie bisher nicht eindeutig belegt. Auch beim Mammakarzinom spielen viele Faktoren bei der Karzinogenese eine wichtige Rolle, die ebenso ausführlich wie beim PCa erörtert werden, und welche Konsequenzen dies für Prävention und Therapie hat.
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