Je älter wir werden, desto mehr nimmt sowohl unsere physische als auch unsere psychische Belastbarkeit ab. Es schien bis vor Kurzem das Schicksal zu sein, dem niemand zu entkommen schien. Jetzt haben aber neuere Forschungsergebnisse klar gezeigt, dass molekular-genetische Vorgänge eine Rolle spielen, die von außen beinflussbar sind und somit auf den Alterungsprozess Einfluss genommen werden kann.

Der Alterungsprozess

Der Alterungsprozess
Der Alterungsprozess

Bisher wurde der Alterungsprozess erklärt z.B. durch ein fortschreitendes Versagen unserer Blutgefäße und damit ihrer Fähigkeit, die Nährstoffe zu liefern, die für das reibungslose Funktionieren unserer Organe wichtig sind. Auch das Immunsystem altert, chronische Entzündungen bleiben bestehen oder die Hormonproduktion lässt nach. Deshalb wurde in den letzten Jahren immer häufiger daraufhin gewiesen, dass Altern nicht nur ein langsames genetisch bedingtes Versagen von Organen und ihrer Funktionen ist, sondern mehr eine chronisch schleichende Erkrankung, die es zu diagnostizieren und zu therapieren gilt, um nicht nur eine Lebensverlängerung zu erzielen, sondern auch um mehr Lebensqualität und Vitalität bei zunehmenden Alter zu erhalten.

Es wurden wissenschaftlich geprüfte und reproduzierbare Möglichkeiten gefunden, diesen Kapazitätsverlust der alternden Organe umzukehren z.B. mit Hilfe von Lifestyle Änderungen und natürlichen Stoffen wie Nahrungsergänzungsmittel, die ganz gezielt in unseren Zellstoffwechsel eingreifen und über Genetik und Epigenetik die Aktivierung oder Deaktivierung bestimmter Funktionseinheiten beeinflussen können. Nun sind manche dieser Vorgänge aber so gewaltig, dass ich sie hier nur bruchstückweise erklären kann und zunächst daher auch mit einem kleinen, aber wesentlichen Prozess beginne.

  • Mit zunehmendem Alter, verringert sich der Spiegel von NAD (Nicotinamidadenindinucleotid) in unseren Körper und zwar als Folge eines schleichenden Nachlassens der NAD-Produktion und einer damit einher gehenden Beschleunigung des Abbaus dieses wichtigen Energielieferanten. (1-3). NAD ist bekanntlich ein sehr wichtiges Coenzym unseres Körpers, das an vielen Zellprozessen beteiligt ist (4).
  • NAD, aktiviert z. B. Gene, die für die Produktion von Sirtuine
    Sirtuine begleiten den Alterungsprozess
    Sirtuine begleiten den Alterungsprozess

    kodieren bzw. verantwortlich sind (5-7). Sirtuine sind Proteine, die sich u.a. an den Endothelzellen der Gefäße befinden und in mehreren Studien mit Muskel- und Gewebsalterung in Verbindung gebracht wurden.

  • Im Experiment mit Hefen, Fruchtfliegen und Fadenwürmern bewies die oxidierte Form von Nicotinamid-Adenin-Dinukleotid (NAD+) eine lebensverlängernde Wirkung, indem es Einfluss auf bestimmte Sirtuine, das sind multifunktionale Enzyme aus der Gruppe der Histon-Deacetylasen, ausübte (18,19). Auch bei Mäusen beobachteten Forscher, wie das Einwirken von NAD+ auf die Stammzellen und die Aktivität der Mitochondrien die Lebensspanne ausdehnte (4).
  • Wenn der NAD-Spiegel sinkt, dann sinken auch die Sirtuine und das wiederum begleitet unseren Alterungsprozess. Je ausgeprägter der Verlust von Sirtuinen ist, umso dramatischer erkennbar wird der Alterungsprozess und damit die Lebenserwartung d.h. typische Alterskrankheiten wie Herzerkrankungen, neurodegenerative Erkrankungen, Krebs usw. treten nun gehäuft auf. Belegt werden konnte dies eindrucksvoll in Mäuseversuchen. Eine Abnahme der Sirtuin-Aktivität führte bei ihnen zu einer dramatischen Abnahme ihrer Ausdauerleistung.
  • Und da bei alten Menschen die Sirtuin-Konzentration reduziert ist, erhebt sich na türlich die Frage: kann man durch Aktivierung der Sirtuine vielleicht ihre Ausdauer verbessern? Daher ist an dieser Stelle natürlich die Frage erlaubt, wie kann man die Sirtuinspiegel erhöhen? Die wissenschaftliche Literatur zeigt, dass eine NAD- Supplementierung nicht die beste Wahl ist, da das Molekül zwar als solches vom Körper aufgenommen wird, aber einige Hindernisse passieren muss, bevor es die Zellen erreicht. Man hat sich daher besonders auf ein Molekül konzentriert, das nicht nur die Darmbarriere erfolgreich passiert, sondern darüber hinaus überall im Körper in NAD umgewandelt wird: es handelt sich um eine Vorstufe und zwar die unmittelbare Vorstufe von NAD, nämlich um NMN (Nicotinamidmononukleotid).
  • Behandelt man Versuchspersonen zwei Monate lang mit NMN kann man am Ende des Experiments beobachteten, dass ihre Kapillardichte so groß zu sein scheint, wie die von jüngeren Personen. Auch in Bezug auf die Ausdauer zeigen sie Leistungsverbesserung von 50 bis 80 % im Vergleich zu Gleichaltrigen. Ähnliche Effekte wurden auch bei 32 Monate alten Mäusen beobachtet, was einem Alter von 80 bei Menschen entspricht! Man kann davon ausgehen das NMN uns bei der Erhaltung und eventuell Wiederherstellung von Muskelgewebe im Alter unterstützen kann und somit die negativen Auswirkungen des Alterns verhindert. Es hilft die Anfälligkeit zu mindern, die zu Stürzen, Osteoporose und allgemeiner Behinde rungen führt. »Es gibt eine ganze Menge wechselseitiger Beziehungen zwischen Muskeln und Knochen, so kann der Verlust von Muskelmasse (Sarkopenie) auch zu Knochenschwund führen.«

Wie wird NAD gebildet?

Tryptophan, eine essentiellen Aminosäuren kann durch mehrere Zwischenreaktionen in NAD umgewandelt werden.
Biosynthese de novo

Es gibt drei verschiedene Möglichkeiten, wie NAD gebildet wird. Diese beinhalten verschiedene Vorstufen die nötig sind, um die NAD-Spiegel in den Zellen zu erhöhen.

a) Biosynthese de novo: Tryptophan, eine essentiellen Aminosäuren kann durch mehrere Zwischenreaktionen in NAD umgewandelt werden.

Preiss-Handler-Weg

b) Preiss-Handler-Weg: Der Organismus transformiert Niacin (NA Vitamin B3, aus der Nahrung , in Nikotinamid-Mononukleotid (NMN) und dann in NAD.

Reserve WEG
Reserve WEG

c) Der Reserve WEG: Der Körper ist in der Lage, NAD-Moleküle von Nicotinamid (NAM) und Nikotinamid-Ribosid (NR), zwei NAD-Vorstufen, die ebenfalls Abbauprodukte von NAD sind, zurückzubilden. Dies ist der Grund, warum diese Art der Produktion als Reserveweg bezeichnet wird. NR und NAM werden beide zu Nikotinamidmononukleotid (NMN) abgewandelt, bevor sie dauerhaft in NAD umgewandelt werden.

Warum nicht direkt NAD-Ergänzungen einnehmen?

Weil NAD wird im Dünndarm von den Epithelzellen des Darms abgebaut wird (8). Es wird von mehreren Darm-Enzymen in NMN und dann in weitere Metaboliten wie NR und NAM umgewandelt. Diese Metaboliten können dann die Darmbarriere überwinden und sind dadurch in der Lage alle Zellen des Körpers, auch die des Nervensystems, zu erreichen, wo sie wieder in NAD umgewandelt werden.

Eine NAD oder NADH-Ergänzung ist daher sinnvoll, aber wir bevorzugen im Allgemeinen eine direktere Ergänzung z.B. mit NMN, NR oder NAM. Dadurch vermeiden wir mehrere Stufen von Abbau und Rückwandlung. Die NAD-Supplementierung bleibt jedoch aufgrund ihres niedrigeren Preises interessant.

Können NAD-Vorstufen in der Ernährung gefunden werden?

Um die de novo Synthese von NAD zu gewährleisten, benötigt der Körper Tryptophan, dessen beste Quellen Reis, Fleisch, Milchprodukte, Eier, Sojaprotein, Erdnüsse, Hülsenfrüchte und Nüsse sind. Nicotinamid-Ribosid (NR) wird auch in Milch gefunden (9), aber die besten Quellen für NAD-Vorstufen sind Rohprodukte pflanzlichen und/oder tierischen Ursprungs. Unser Verdauungssystem, das durch eine gesunde Darmflora unterstützt wird, baut NAD, welches in verschiedenen Verbindungen in anderen Organismen vorkommt für die Rückgewinnung von NAD (10) ab.

Wie kann man seine NAD-Werte erhöhen?

1) Durch eine Supplementierung von NAD-Vorstufen

NA (Niacin) ist eine anerkannte NAD-Vorstufe, verursacht aber zu Beginn der Supplementierung regelmäßig einen Flash, dabei handelt es sich um eine Vasodilatation im Gesicht und am Hals (11), es sei denn, man besorgt sich eine flash-resistente Form. Was NAM (Nicotinamid) betrifft, gibt es keinen Zweifel, dass es in NAD umgewandelt wird und damit für den Anstieg der Sirtuin Aktivität sorgt (12). Wir bevorzugen meist aber die folgenden beiden Formen:

  • NR (Nicotinamidribosid) da es wirksamer ist als NAM und NA einen befriedi genden Anstieg der NAD-Spiegel bewirkt. Es kann aber eingesetzt werden, da es kostengünstig und gut verträglich ist (13). Es gibt NR in 125 und 250 mg Kapseln als Nahrungsergänzungsmittel.
  • NMN (Nikotinamidmononukleotid) ist die direkteste NAD-Vorstufe. Es hat sich schnell als die erste Wahl für diejenigen durchgesetzt, die ihre Alterung verlangsamen wollen, trotz seines Preises.

All die hier genannten Verbindungen sind Formen von Vitamin B3, einem essentiellen Element für alle Zellen des menschlichen Körpers, dessen Mangel sich häufig durch Krib beln, Appetitverlust, Müdigkeit und Stimmungsschwankungen zeigt.

2) Durch Steigerung der körperlichen Aktivität und Verbesserung der Ernährung

Körperliche Bewegung stimuliert neues Blutgefäßwachstum und erhöht die Muskelmasse. Wird z.B das SIRT1-Gen in den Endothelzellen deaktiviert, dann bleibt dieser Trainingseffekt aus. Mit NMN Substitution und körperlicher Aktivität kann man den NAD-Spiegeln erhöhen (14) Reduziert man zur gleichen Zeit die regelmäßige Aufnahme von Kalorien (15) erhöht man nicht nur seine Vitalität, sondern auch seine Langlebigkeit. Eine Ernährung mit hohem Fettgehalt (16-17) besonders mit gesättigten Fettsäuren scheint sich auf lange Sicht eher negativ auszuwirken.

Die wesentlichen Punkte des Artikels

  • Die Verabreichung von NMN bei älteren Mäusen erhöht ihre Kapillardichte und verbessert sehr deutlich ihre sportliche Leistungsfähigkeit.
  • Das NMN wird im Körper in NAD umgewandelt, ein Coenzym, dessen Produktion mit dem Alter abnimmt. Es spielt eine Rolle bei der Codierung bestimmter Proteine, die Sirtuine genannt werden und für das reibungslose Funktionieren der Blut gefäße und Muskeln essentiell sind.

Wird eines Tages möglich sein, den Alterungsprozess umzukehren?

Wenn wir das Wissen, das uns hinsichtlich der Alterung und der Alterungsvorgänge zur Verfügung steht, tatsächlich anwenden würden, dann könnten wir tatsächlich alle profi tieren, denn eines ist sicher: Die bisher vorliegenden Studien zu diesem Thema markieren einen Wendepunkt in der spannenden Suche nach einer gesunden Lebensverlängerung und zeigen, dass die Grenzen der Lebenserwartung durchaus verschoben werden können. Ich werde es mir daher zur Aufgabe machen, in regelmäßigen Abständen das Thema Lebens verlängerung aufzugreifen, aber dabei werde ich nicht aufhören darauf hinzuweisen, dass es immer für alle Bemühungen eine essentielle Voraussetzung bleiben wird, die Hindernisse, die uns das tägliche Leben in den Weg stellt wie – etwa die industrielle Verarbeitung unserer Nahrungsmittel, Umweltbelastungen und vor allem chronischem Stress – soweit wie möglich zu umgehen.

Literatur
  1. Yoshino, J., Mills, K. F., Yoon, M. J. & Imai, S. Nicotinamide mononucleotide, a key NAD(+) interme diate, treats the pathophysiology of diet- and age-induced diabetes in mice. Cell Metab. 14, 528–536 (2011).
  2. Gomes, A. P. et al. Declining NAD(+) induces a pseudohypoxic state disrupting nuclear-mitochondri al communication during aging. Cell 155, 1624–1638 (2013).
  3. Braidy, N. et al. Mapping NAD(+) metabolism in the brain of ageing Wistar rats: potential targets for influencing brain senescence. Biogerontology 15, 177–198 (2014).
  4. Ying, 2008 W. Ying NAD+/NADH and NADP+/NADPH in cellular functions and cell death: regula tion and biological consequences Antioxid. Redox Signal., 10 (2008), pp. 179-206
  5. Blander and Guarente, 2004 G. Blander, L. GuarenteThe Sir2 family of protein deacetylases Annu. Rev. Biochem., 73 (2004), pp. 417-435
  6. Hall et al., 2013 J.A. Hall, J.E. Dominy, Y. Lee, P. Puigserver, The sirtuin family’s role in aging and age-associated pathologies J. Clin. Invest., 123 (2013), pp. 973-979
  7. Haigis and Sinclair, 2010 M.C. Haigis, D.A. SinclairMammalian sirtuins: biological insights and disease relevance Annu. Rev. Pathol., 5 (2010), pp. 253-295
  8. Gross and Henderson, 1983, C.J. Gross, L.M. Henderson, Digestion and absorption of NAD by the small intestine of the rat J. Nutr., 113 (1983), pp. 412-420
  9. Trammell, S. A., Yu, L., Redpath, P., Migaud, M. E. & Brenner, C.Nicotinamide riboside is a major NAD+ precursor vitamin in cow milk. J. Nutr. 146, 957–963 (2016).
  10. Gazzaniga, F., Stebbins, R., Chang, S. Z., McPeek, M. A. & Brenner, C. Microbial NAD metabolism: lessons from comparative genomics. Microbiol. Mol. Biol. Rev. 73, 529–541 (2009).
  11. Birjmohun et al., 2005, Efficacy and safety of high-density lipoprotein cholesterol-increasing com pounds: a meta-analysis of randomized controlled trials, J. Am. Coll. Cardiol., 45 (2005), pp. 185-197
  12. Anderson et al., 2003, Nicotinamide and PNC1 govern lifespan extension by calorie restriction in Saccharomyces cerevisiae, Nature, 423 (2003), pp. 181-185
  13. Trammell SAJ et al. Nicotinamide riboside is uniquely and orally bioavailable in mice and humans, Nature Communications volume7, Article number: 12948 (2016).
  14. Costford et al., 2010. Skeletal muscle NAMPT is induced by exercise in humans, Am. J. Physiol. Endocrinol. Metab., 298 (2010), pp. E117-E126
  15. Chen et al., 2008, Tissue-specific regulation of SIRT1 by calorie restriction, Genes Dev., 22 (2008), pp. 1753-1757
  16. Yoshino et al., 2011 J. Yoshino, K.F. Mills, M.J. Yoon, S. Imai, Nicotinamide mononucleotide, a key NAD(+) intermediate, treats the pathophysiology of diet- and age-induced diabetes in mice, Cell Metab., 14 (2011), pp. 528-536
  17. Kraus et al., 2014Nicotinamide N-methyltransferase knockdown protects against diet-induced obesity, Nature, 508 (2014), pp. 258-26
  18. Schmeisser K, Mansfeld J, Kuhlow D, Weimer S, Priebe S, Heiland I, Birringer M, Groth M, Segref A, Kanfi Y, Price NL, Schmeisser S, Schuster S, Pfeiffer AF, Guthke R, Platzer M, Hoppe T, Cohen HY, Zarse K, Sinclair DA, Ristow M. Role of sirtuins in lifespan regulation is linked to methylation of nicotin amide. Nat Chem Biol. 2013 Nov;9(11):693-700. doi: 10.1038/nchembio.1352. Epub 2013 Sep 29. PubMed PMID: 24077178
  19. Hashimoto T, Horikawa M, Nomura T, Sakamoto K. Nicotinamide adenine dinucleotide extends the lifespan of Caenorhabditis elegans mediated by sir-2.1 and daf-16. Biogerontology. 2010 Feb;11(1):31- 43. doi: 10.1007/s10522-009-9225-3. Epub 2009 Apr 16. PubMed PMID: 19370397.