Wir verwenden die Galvanotherapie oder auch elektrochemische Chemotherapie (ECT) seit vielen Jahren in der Klinik St. Georg. Ich hatte das Privileg, das Verfahren direkt von Dr. med. Rudolph Pekar und die sich dahinter verbergenden tumorbiologischen und elektrophysiologischen Mechanismen von Nordenström persönlich zu erlernen.

Die ECT/BET-Behandlung: Krebsbehandlung mit schwachem Gleichstrom

Die ECT/BET-Behandlung („electro cancer therapy“/biologische Elektrotumortherapie) ist geeignet für oberflächliche und auch tiefergelegene solide Tumoren oder Metastasen. Je nach Größe des Tumors sind unterschiedlich viele Elektroden erforderlich. Die Stromübertragung in das Gewebe erfolgt durch Platinelektroden. Das Tumorgewebe wird zerstört, ohne dass umliegende gesunde Körperzellen in Mitleidenschaft gezogen werden. Das so steril abgestorbene Gewebe (aseptische Nekrose) löst sich in den folgenden Wochen langsam vom gesunden Gewebe ab und wird entweder abgestoßen (bei an der Oberfläche liegenden Tumoren) oder von körpereigenen Fresszellen (Phagozyten) verstoffwechselt.

Man verwendet nicht mehr nur Nadelelektroden, sondern zur Behandlung von inneren Organen auch Flachelektroden, die auf Bauch und Rücken aufgelegt werden können. Eines der Anwendungsgebiete für die ECT/BET ist daher inzwischen neben der lokalen Hyperthermie zum Beispiel auch die Prostata-Hyperthermie, um dem Patienten eine Operation zu ersparen.

Besonders bei Tumoren, die sich noch auf die Prostata beschränken und nicht mit Beschwerden einhergehen, fällt es Patienten oft schwer, sich für die große Operation zu entscheiden. Schließlich führt diese zu dauerhafter Impotenz und in einem hohen Prozentsatz auch zu Inkontinenz. Die ECT/BET kann hier auf schonende Art und Weise helfen, unnötige große Eingriffe zu vermeiden.

Mit der ECT wird auch ein aktiv spezifisches Immunphänomen ausgelöst, denn durch den galvanischen Strom werden Tumorantigene freigesetzt und den Immunzellen präsentiert, die durch den Strom angelockt wurden. Durch die Gewebszerstörung werden Zytokine freigesetzt, was zu einer erhöhten Erkennung von Tumorantigenen führt und die spezifischen Immunleistungen des Tumorträgers fördert.

Anfänge und Entwicklung der ECT

Bereits im 18. Jahrhundert nutzte L. Galvani Gleichstrom zu Heilzwecken (Galvanotherapie). Nachdem diese Behandlungsform später von der Chemo- und Strahlenbehandlung verdrängt wurde, rückte die Galvanotherapie erst wieder durch die Aktivitäten von Dr. med. Rudolph Pekar zurück ins Bewusstsein: Die von ihm weiterentwickelte perkutane (durch die Haut hindurch) Bio-Elektro-Therapie bot eine preisgünstige Alternative mit hoher Erfolgsquote, aber geringerem Risiko.

Electro-Cancer-Therapy (ECT) oder Bio-Elektro-Therapie

Bereits vor über hundert Jahren erkannte man, dass Tumorgewebe durch gleichgerichteten Schwachstrom im Milliampere-Bereich zerstört wird, ohne dass dabei gesunde Zellen angegriffen werden. Dr. Pekar griff diese Erkenntnisse vor 40 Jahren erneut auf und behandelte ab den 70iger Jahren mit großem Erfolg diverse Tumorarten beim Menschen. Ich hatte damals die Gelegenheit, Dr. Pekar persönlich zu treffen und bei ihm lernen zu dürfen. Seither wenden auch wir seine Methode mit großem Erfolg an der Klinik St. Georg an. Tatsächlich ist sie inzwischen in China sogar bereits in jedem Krankenhaus Standard.

Die verschiedensten Tumorarten, aber auch Rezidive nach Operationen, Chemo- und/oder Strahlentherapie können so behandelt werden. Der elektrische Widerstand von Tumorzellen (circa 250 Ohm) beträgt circa ein Zehntel des Widerstandes gesunder Zellen (< 2500 Ohm). Wird Tumorgewebe über Hautelektroden oder Nadelelektroden mit galvanischem Strom (Spannung 1–25 Volt) durchflutet, nimmt der Stromfluss den Weg des geringsten Widerstandes und sucht sich daher den Weg durch die Tumorzellen bzw. das Tumorgewebe.

Wegen des geringen Widerstands fließt – entsprechend dem Ohmschen Gesetz – mehr Strom durch das Tumorgewebe. Das führt zu elektrolytischen Zerstörungsprozessen. Je nach Stromstärke wird der Tumor zu harmlosem fibrotischem Gewebe (Narbengewebe) umgewandelt oder er zerfällt komplett und wird sodann langsam vom Körper abgebaut. Oberflächliche Tumoren oder Metastasen können nach der Behandlung äußerlich wie eine Verbrennung erscheinen und eine Kruste bilden, die aber ohne Komplikationen und Behandlungsnotwendigkeit abheilt (aseptische Stromnekrose).

Ausgangspunkt und methodisches Prinzip

Tumorbildung ist ein multifaktorielles Geschehen, für das es viele Ursachen gibt. Sie alle führen zum sogenannten tumorfreundlichen Milieu, in dem der Tumor wachsen und gedeihen kann. Ziel jeder Tumortherapie muss es daher sein, dieses Milieu so zu verändern, dass der Tumor nicht mehr wachsen kann. Deshalb muss eine Behandlung sowohl physisch als auch psychisch den ganzen Menschen therapieren.

Die „Stromtherapie“ macht sich die veränderte elektrische Leitfähigkeit der Tumorzellen zunutze. Mit der ECT soll eine schnelle aseptische Bionekrose (keimfreies Absterben) des Tumors oder Tumorfeldes erreicht werden. Dies wird durch eine stufenweise schaltbare Gleichstromquelle mittels Elektrodensonden in und am Tumorgewebe vollbracht.

Aufgrund des deutlich geringeren elektrischen Widerstands der malignen Zellen im Vergleich zu gesunden Zellen kann ein Ionentransport durch den Tumor hidurch erzwungen werden. Es kommt dabei zur Depolarisation der Zellmembran. Störungen des Stoffwechsels sowie einzelner intrazellulärer Strukturen sind die Folge. Im Umfeld beider Elektroden (Kathode, Anode) kommt es zu einer Verschiebung des PH-Werts, die das Gewebe zerstört. Eine erhöhte Ionenbeschleunigung durchlöchert die Membranen (Elektroporation). Damit ist wieder Angriffsfläche für die Phagozyten (Fresszellen des Immunsystems) gegeben. Gleichzeitig werden Tumorantigene freigesetzt und von angezogenen Immunzellen verstärkt erkannt. Einer Metastasenbildung wird damit effektiv durch spezifische Immunvorgänge entgegengewirkt.

Behandlungsspektrum und -verlauf

Die ECT ist geeignet für alle Tumore, die mit Nadel- und Flächenelektroden zugänglich sind. Die zu behandelnde Stelle wird vorher steril abgedeckt und betäubt. Der Erfolg der ambulanten Therapie ist zudem abhängig von der Analyse der Tumorbeschaffenheit und des genau darauf abgestimmten Behandlungsverlaufs, der computergesteuert, kontrolliert und dokumentiert erfolgt.

Bereits während der Elektrodenplatzierung ist der Strom aktiv, um bereits losgelöste Tumorzellen im elektrischen Feld zu binden. In der Regel reichen bis zu drei Stunden Elektrotherapie aus, um das Gewebe schrittweise zum Absterben zu bringen.

Vorteile der ECT

Zu den Vorteilen der ECT gehört, dass die Tumorzellen durch den Strom sofort repolarisiert werden. Dadurch verlieren sie ihre Tendenz, sich unabhängig vom Körpersystem selbständig zu vermehren. Die Gefahr einer Metastasierung, wie sie im Rahmen operativer Eingriffe leicht ausgelöst werden kann, ist somit nahezu ausgeschlossen. Die zerstörenden Effekte betreffen ausschließlich entartete Zellen, gesundes Gewebe wird nicht beschädigt.

Die Behandlung ist außerdem schmerzfrei und kann ambulant durchgeführt werden. Sie führt zu keiner Beeinträchtigung der Lebensqualität und macht eine nachfolgende Chemo- und/oder Strahlentherapie unnötig.

Indikationen für die ECT

Eine ECT kann bei folgenden Indikationen sinnvoll durchgeführt werden:

Therapiedurchführung

Der Patient liegt bequem. Je nach Tumorart werden Hautelektroden aufgelegt oder – nach erfolgter Lokalanästhesie – unter Spannung stehende isolierte Nadelelektroden in den Tumor eingestochen. Der Stromfluss wird über das computergesteuerte ECT-Gerät genau geregelt und permanent aufgezeichnet. Der Kurvenverlauf von Widerstand, Spannung und Stromfluss gibt Aufschluss darüber, ob noch bösartiges Gewebe vorhanden ist oder nicht. Je nach Tumorgröße sind ein bis mehrere Sitzungen von 1 bis 3 Stunden erforderlich. Die Behandlung kleinerer Hautmelanome dauert nur circa 10 bis 30 Minuten.

Therapieverlauf bei der ECT

Die wichtigsten Veränderungen bei biologischen Geweben in der Nähe der Elektroden stehen in Zusammenhang mit den ablaufenden Reduktions- und Oxidationsprozessen, das heißt mit OH-, H+ im Gleichgewicht. Die Negativelektrode führt zur Oxidation der Wasserstoffionen und verursacht eine intensive Wasserstoffgasentwicklung. Demzufolge entsteht in der Nähe der Negativelektrode aufgrund des Wasserstoffabzugs (verminderte Wasserstoffionenkonzentration) ein alkalisches Feld.

Im Reduktionsprozess werden die OH- Radikale in der Umgebung der Positivelektrode konzentriert (in Form von H3O2- und H/O4- hydratierten Clusters) und verursachen im Elektrodenumfeld ein saures Milieu. An dieser Elektrode kann man einen Gewebsprozess fast ohne Gasentwicklung sehen. Je nach Größe des Tumorareales werden ein oder mehrere Elektrodenpaare angelegt. Während des Einführens der Elektroden ist der Strom schon aktiv. Zweck dieser Maßnahme ist es, eventuell sich lösende Tumorzellen im elektrischen Feld zu halten, um damit eine Streuung zu verhindern.

Während der Therapiezeit unterliegt der Patient einer ständigen Überwachung. Der Therapieverlauf erfolgt computergesteuert und kontrolliert. Nebenwirkungen sind so gut wie ausgeschlossen und bisher nicht bekannt. Die Behandlung erfolgt ambulant und der Patient ist danach durchaus in der Lage, sich eigenständig nach Hause zu begeben.

Mechanismen

Es gibt eine ganze Reihe von Mechanismen der Tumorregression oder Remission (Rückgang oder Verschwinden) im Rahmen einer ECT-Behandlung:

  1. Autolyse-Prozess: An der positiv geladenen Tumorstelle kommt es zu einer signifikanten Abnahme des pH-Wertes, was eine Tumornekrose (Auflösung) nach sich zieht.
  2. Erhöhung der Azidität: Die Sauerstoffaufnahmekapazität des Tumors wird durch die Zerstörung der tumornahen roten Blutzellen massiv behindert.
  3. Niedriger pH: Das Tumorareal ist durch eine positive Ladung relativ zum umgebenden normalen Gewebe gekennzeichnet. Die krebsbekämpfenden weißen Blutzellen tragen negative Ladungen auf ihren Membranoberflächen und werden durch die Tumorareale, die über die ECT positiv aufgeladen wurden, direkt angezogen.
  4. Wasserentzug: Das elektrische Feld am Ort des Tumors entzieht diesem Wasser (Elektroosmose). Der folgende „Wasserdurst“ behindert die Blutversorgung des Tumors, der daraufhin schrumpft.
  5. Kathodische und anodische Gasbildung: Über elektrolytische Prozesse entstehen sowohl Wasserstoff, Chlor als auch Sauerstoff. Diese Gase erhöhen den Druck im Krebsgewebe, was eine weitere große Belastung für die Tumorsstruktur und die Blutversorgung des Tumors darstellt.

Ein großer Teil der Forschungstätigkeit widmete sich den pH-Gradienten zwischen normalem Gewebe und Tumorgewebe sowie den zugrunde liegenden Mechanismen der pH-Verschiebung während der Tumorgenese und während der ECT-Behandlung. Dabei zeigte sich vor allem, dass die Ansäuerung von Gewebe durch Chlor eine wichtige Rolle bei der Erzeugung von Wasserstoffionen spielt. Dies hat einen direkten Einfluss auf den pH-Wert. Diese Reaktionen sind stark abhängig von der Stromdichte des ECT-Prozesses. Alkalisierung und die Ausbreitung von Hydroxyl-Ionen scheinen die Gewebezerstörung an der Kathode zu beeinflussen. Die Veränderungen des pH-Wertes hemmen die Zellproliferation und bewirken die Abnahme der Lebensfähigkeit der Zellen.

Niedrige pH-Werte scheinen die zelluläre Apoptose und Nekrose zu fördern. Hohe pH-Werte scheinen nur die Zellnekrose zu fördern. Zusätzlich zu den oben beschrieben ECT-Mechanismen gibt es eine weitere Anzahl zusätzlicher Strom-/Ladungswechselwirkungen, die einen signifikanten Einfluss auf die Zellproliferation, Apoptose, Nekrose, Differenzierung und Dedifferenzierung haben. Diese Effekte scheinen sich vorwiegend an der Zellmembran abzuspielen.

 

Galvano- oder elektrochemische Tumortherapie