Wenn man über Krebsverhütung spricht, denkt man meist an die von den Krankenkassen angebotenen Vorsorgeuntersuchungen wie Mammographie oder Darmspiegelung. Nicht nur die Krankenkassen, sondern auch Ärzte und Fachgesellschaften raten, diese wahrzunehmen. Leider ist dies aber keine Verhinderung von Krebs. Diese Untersuchungen helfen nur, Krebs möglichst frühzeitig zu erkennen, um dem Patienten die Möglichkeit zu eröffnen, rechtzeitig operiert werden und so vielleicht vom Krebs geheilt zu werden.

Zu dem Zeitpunkt, wenn ein Krebs mit den Mittel der Früherkennung diagnostiziert werden kann, ist jedoch die Krebsgeschwulst schon mehrere Millimeter groß und enthält schon mehrere Tausend Krebszellen. Der Entwicklungsprozess, bis der Tumor eine solche Größe erreicht, hat sich schon über einen längeren Zeitraum hingezogen. So benötigt ein Brustkrebs, bis er feststellbar wird, manchmal mehrere Jahre. Zum Zeitpunkt der frühesten Erkennung kann er bereits metastasiert haben, meist aber noch mikroskopisch klein und daher auch mit den üblichen Untersuchungsmöglichkeiten nicht erkennbar. Krebsvorsorge und Früherkennung tragen in der Form, wie sie von den Krankenkassen angeboten werden, nicht zur Krebsvermeidung und Vorbeugung bei. Sie sind Methoden, den bösartigen Prozess möglichst früh zu erkennen und zu behandeln.

Aber gibt es auch Wege, Krebs vorzubeugen und damit bereits seine Entstehung zu vermeiden? Wir alle können unser persönliches Krebsrisiko deutlich reduzieren. In der Klinik St. Georg in Bad Aibling geben wir hierzu Hinweise auf unseren regelmäßig stattfindenden Veranstaltungen. Vielen ist bekannt, dass die Einstellung des Rauchens oder eine ausgewogene, vollwertige Ernährung und regelmäßiger Sport einen positiven Betrag leistet.

Ich möchte Ihnen in diesem Beitrag zeigen, dass es auch Stoffe gibt, die unser Krebsrisiko deutlich senken können, wie zum Beispiel die regelmäßige Einnahme einer Minidosis Aspirin.

Aspirin schützt vor Krebs.

Eine neue Studie hat gezeigt, dass Acetylsalicylsäure (ASS) vor Krebs schützen kann. Sollten wir also alle täglich Aspirin schlucken? Die allgemeine Antwort ist sicher Nein, obwohl es tatsächlich auch Fälle gibt, bei denen die Frage bejaht würde. Aber der Reihe nach.

Die angesprochene Studie stammt aus Oxford. Was Peter Rothwell und seine Mitarbeiter herausgefunden haben, klingt gut: Wenn sie recht haben, lässt sich das Risiko, an Krebs zu sterben, mit dem leicht verfügbaren Mittel Aspirin deutlich verringern. Eine kleine Dosis Acetylsalicylsäure täglich genügt dazu. Würden wir alle über viele Jahre jeden Tag Aspirin schlucken, dann ließen sich nach Rothwells Statistik jährlich mehr als 20.000 Krebstote in Deutschland vermeiden.

Doch ist eine flächendeckende Prophylaxe mit Aspirin gerechtfertigt?

Noch ist das offen. Doch die erstaunlichen Ergebnisse stützen sich auf eine Auswertung von acht Studien mit insgesamt 25.570 Teilnehmern, also auf eine beträchtliche und aussagekräftige Zahl. In den Untersuchungen, die in den späten 1970er Jahren begonnen wurden, ging es zunächst gar nicht um Krebsbekämpfung, sondern vielmehr um die Wirkung von ASS zur Verhütung von Herzinfarkten oder Schlaganfällen. In Sterberegistern wurde die Krebssterblichkeit der mit ASS oder einem Placebo behandelten Teilnehmer verglichen. Dabei fanden die Forscher Erstaunliches heraus: Bei Menschen, die regelmäßig ASS eingenommen hatten, lag die Krebssterblichkeit innerhalb von zwanzig Jahren nach Beginn der Einnahme um glatte 20 Prozent niedriger. Die Schutzwirkung stieg mit dem Alter der Teilnehmer, aber auch mit der Dauer der Einnahme an. Wer länger als fünf Jahre Aspirin schluckte, reduzierte sein rechnerisches Todesrisiko durch Krebs um mehr als 30 Prozent.

Die Ergebnisse wurden von vielen Forschern streng geprüft, es scheint keinen Zweifel daran zu geben. Die Studie von Peter Rothwells stellt die besten Daten zur Frage der Krebsvorbeugung bereit. Für einzelne Krebsarten hat man beeindruckende Schutzeffekte durch ASS errechnen können, so zum Beispiel bei Lungenkrebs (30 %), Tumoren der Verdauungsorgane (35 %), Darmkrebs (40 %) oder Speiseröhrenkrebs (60 %). Auch bei Prostatakrebs und Hirntumoren ließen sich sinkende Sterbezahlen feststellen. Allerdings schützt ASS nur gegen solide Tumoren, nicht aber gegen Blutkrebs.

Wie wirkt ASS?

ASS gehört wie Ibuprofen und Diclofenac zu den nicht-steroidalen Entzündungshemmern und blockiert zwei wichtige Enzyme, die Cyclooxygenasen Cox-1 und Cox-2. Diese Enzyme haben vielfältige Aufgaben im Körper, was auch das breite Wirkungsspektrum von ASS erklärt. Die Enzymhemmung vermindert die Gerinnungsfunktion der Blutplättchen und bewirkt so eine Blutverdünnung. Das macht man sich beispielsweise in der Herztherapie zu Nutze. Cox-1 und Cox-2 sind aber auch an der Bildung von Prostaglandinen beteiligt, einer Gruppe hormonartiger Stoffe, die Entzündungen im Körper steuern.

Beide ASS-Effekte, Blutverdünnung und Entzündungshemmung, schützen vor Herzinfarkt und Schlaganfall. Dazu genügt schon die Einnahme von 75 bis 100 Milligramm ASS täglich.

Wie wirkt ASS gegen Krebszellen?

Anhand von Tierexperimenten und Zellkulturen konnte man erforschen, wie die Aktivität der Cox-Enzyme das Überleben und die Teilung von Krebszellen fördert. Die Enzyme werden schon in frühen (mikroskopisch kleinen) Krebsherden häufig stark vermehrt gebildet. Die von ihnen gesteuerte Produktion der Prostaglandine erleichtert auch die weitere Ausbreitung des Krebsherdes in einem Gewebe und die Metastasierung im Körper. Außerdem stimulieren die COX-Enzyme das Wachstum von Blutgefäßen im Tumor.

ASS verhindert alle diese Effekte signifikant und trägt so zur Sicherung des Krebsrisikos bei.

Wie viel ASS müsste man zur Krebsverhütung einnehmen?

Nach den bisherigen Ergebnissen muss die Dosis größer als 50 Milligramm täglich sein. Am besten sind 75 Milligramm. Höhere Dosen steigern den Effekt nicht weiter und sind daher auch nicht nötig.

Sollte man Aspirin präventiv einnehmen? Welche Nebenwirkungen sind zu befürchten?

ASS kann wie alle nicht-steroidalen Entzündungshemmer Nebenwirkungen haben, vor allem bei einer hohen Dosierung und bei langfristiger Einnahme. Zu möglichen Nebenwirkungen gehören Magenschleimhautentzündungen, Magengeschwüre und Magenblutungen. Durch die blutverdünnende Wirkung besteht zudem ein Risiko für Blutungen, zum Beispiel aus dem Darm.

Bei kleinen Dosierungen ist diese Gefahr aber gering.

Sollten also alle Menschen ASS einnehmen?

Wer wegen des Risikos, einen Herzinfarkt oder Schlaganfall zu bekommen, täglich 100 Milligramm ASS schluckt, kann sich über einen doppelten Schutz freuen.

Für junge Menschen, die sehr selten an Krebs erkranken, ist die präventive Einnahme hingegen nicht nötig. Bei Menschen, die ein persönliches oder familiäres Risiko für Krebs besitzen, kann die Einnahme von ASS aber sinnvoll sein. Wenn etwa in der Familie gehäuft Darmkrebs vorkommt oder wenn bereits ein Darmpolyp gefunden wurde, sollte man mit ASS vorbeugen, denn die schützende Wirkung gegen Darmtumoren ist zweifelsfrei erwiesen.

Auch im fortgeschrittenen Alter kann die Einnahme von ASS angebracht sein. Immerhin haben von den über 60-Jährigen mindestens 50 Prozent bereits Darmpolypen und sind mithin in Gefahr, irgendwann am Darmkrebs zu erkranken.

Wer diese Form der Vorbeugung anstrebt, sollte aber vor dem Gang in die Apotheke mit einem Arzt sprechen, um eventuelle Risiken auszuschließen.

So muss Aspirin vier Tage vor einer Operation abgesetzt werden. Wichtig ist auch, während der Einnahme auf Warnsignale wie Magenbeschwerden oder Säurereflux zu achten.