Über Low Dose Naltrexon (LDN) berichtete ich zum ersten Mal im Jahr 2011 in einem Vortrag über Medikamente mit unerwarteter positiver Wirkung bei Krebs. Der Wirkstoff Naltrexon gehört zur Gruppe der Opioid-Antagonisten. Er wird seit Jahren in hoher Dosierung zur Behandlung von Alkoholabhängigen und Drogensüchtigen eingesetzt. Hierfür beträgt die Dosierung normalerweise 50 bis 150 mg täglich.
Hoffnung bei Krebs und vielen chronischen Krankheiten
Wendet man Naltrexon aber in einer viel geringeren Dosis an, nämlich 1,0 bis 4,5 mg, so hat der Wirkstoff eine gänzlich andere Wirkung: Er erhöht die Endorphine, speziell das Met-Enkephalin, und die entsprechenden Rezeptoren. Damit erzielt man eine ausgesprochen positive Wirkung auf das Immunsystem. Es kann den Verlauf vieler chronisch-degenerativer Erkrankungen positiv beeinflussen.
Die Behandlung mit niedrig dosiertem Naltrexon wird international als LDN-Therapie, also Low Dose Naltrexon, bezeichnet.
Die Geschichte von Naltrexon
Naltrexon wurde bereits 1963 entdeckt, 1985 erfolgte in den USA die Zulassung zum Opiatentzug durch die FDA (US Food and Drug Administration) und 1994 für Alkoholentzug und zur Behandlung von Drogenabhängigen. Da der Patentschutz zwischenzeitlich abgelaufen ist, sinken nun die Kosten für das Medikament. Gleichzeitig hat auch die Pharmaindustrie das Interesse an einer weiteren Erforschung verloren, da keine Gewinne mehr zu erwarten sind.
Dennoch hat die Substanz heute das Interesse von Ärzten und Wissenschaftlern geweckt, da man inzwischen auch eine Wirkung bei Krebs, Autoimmunerkrankungen und neurodegenerativen Krankheiten festgestellt hat. Dr. Bernhard Bihari beobachtete 1985, nachdem eine HIV-Epidemie unter Heroinabhängigen ausgebrochen war, dass deren Endorphinspiegel um 80 Prozent niedriger als bei Nicht-Infizierten war.
Eine Placebo-kontrollierte Studie (Placebo kontra 3,0 mg Naltrexon) zeigte eine um 75 Prozent niedrigere Todesrate und weniger Kaposi-Sarkome und Lymphome bei HIV-positiven Heroinabhängigen. Dr. Ian S. Zagon entdeckte in den 1980er Jahren, dass Kinder von opiatabhängigen Müttern kleiner waren, und untersuchte die hemmende Wirkung von Opiat-Antagonisten auf Tumorwachstum und Wundheilung. Er entdeckte, dass LDN die Dichte von Opiatrezeptoren und die endogene Produktion von Opioiden erhöhte.
Naltrexon ist ein Opioid-Antagonist
Das bedeutet, dass der Wirkstoff im Gehirn an Bindungsstellen (Rezeptoren) der Nervenzelle andockt und sie blockiert. Im Gegensatz zu Morphin, dem klassischen Opiat-Agonisten, das ebenfalls mit diesen Rezeptoren eine Verbindung eingeht, löst er aber eine Reaktion an der Nervenzelle aus (Schlüssel-Schloss-Prinzip).
Verschiedene Opioid-Rezeptoren
Die verschiedenen Opioid-Rezeptoren können unterschiedliche Reaktionen auslösen. Die wichtigsten Rezeptoren sind µ1 (my1) und µ2 (my2) sowie κ (kappa) und δ (delta). Je nachdem, an welchem Rezeptor das Opioid eine Verbindung eingeht, löst dies unterschiedliche Effekte aus:
- µ1: Schmerzstillung, Euphorie, Miosis (Pupillenverengung), Hypothermie (Unterkühlung), Abhängigkeit
- µ2: Schmerzstillung, Euphorie, Miosis, Atemdepression (Herabsetzung der Atemtiefe), Obstipation (Verstopfung), Abhängigkeit
- κ: Schmerzstillung, Dysphorie (Missstimmung), Miosis, Atemdepression, Sedation (Ruhigstellung)
- ∂: Schmerzstillung, Atemdepression, Obstipation (Verstopfung), Abhängigkeit, Blutdruckabfall
Der Körper ist selbst in der Lage, Opioide zu bilden. Diese werden eingeteilt in:
-
- Endorphine („endogene Morphine“)
- Dynorphine
- Enkephaline
Endorphine sind körpereigene Opioide, die ein Glücksgefühl erzeugen und im Hypothalamus und in der Hypophyse gebildet werden. Sie werden als Reaktion auf Schmerz freigesetzt, wobei die Freisetzung an ACTH gekoppelt ist, das auf Stress reagiert. Auch beim Ausdauersport werden Endorphine ausgeschüttet.
Dynorphine bewirken Schmerzverminderung und Beruhigung. Dabei entstehen keine Glücksgefühle, sondern eher eine depressive Stimmung (Dysphorie).
Enkephaline sind in zwei Formen vorhanden. Eine Form, das Met-Enkephalin, wurde als Opioid-Wachstumsfaktor (OGF) identifiziert. Auch diese Substanz bindet an einen speziellen Rezeptor an der Zellmembran oder am Zellkern. Über diesen Mechanismus kommt es zu Reaktionen am Zellkern, wodurch die DNA der Zelle beeinflusst und das Zellwachstum oder die Wundheilung angeregt wird.
Wie wirkt Naltrexon am Rezeptor?
Naltrexon bindet stark an den µ1- und leicht an den δ-Rezeptor, in niedriger Dosierung aber nur an den µ1Rezeptor für die Dauer von etwa fünf Stunden. Diese Blockierung führt zu einem Anstieg von Met-Enkephalin, identisch mit dem Opioid-Wachstumsfaktor.
Außerdem scheint auch die Zahl der entsprechenden Rezeptoren (OGFr) zuzunehmen. Wenn nach circa fünf Stunden die Blockade des µ1-Rezeptors wieder nachlässt und schließlich ganz aufhört, dann kommt es zu einem Rebound-Effekt: Es stehen also erhöhte Mengen an endogenen Opioiden zur Verfügung, die nun ihre Wirkung auf die Zellen ausüben können.
Dieser Effekt dauert 18–24 Stunden und ist mit einer effektiven Entzündungshemmung gleichzusetzen. Die Freisetzung von Entzündungsstoffen, einschließlich NO, wird reduziert. Die LDN-Wirkung selbst dauert nur etwa vier Stunden und lässt wieder nach, bevor die negativen Effekte einer totalen Rezeptorblockade zum Tragen kämen. Daraus ergibt sich die positive Wirkung mit praktisch keinen Nebenwirkungen.
Naltrexon hat Einfluss auf Gehirn und Nervensystem.
Naltrexon hat außerdem Einfluss auf den häufigsten Botenstoff (Neurotransmitter) im Gehirn, Glutamat. Aufgrund fehlgesteuerter Stoffwechselprozesse kann es zu einem Anstieg der Glutamatkonzentration kommen. Aus einer physiologischen Anregung des Gehirns entsteht dadurch eine Übererregung der Nervenzellen. Diese werden in der Folge geschädigt oder zerstört. Nachweisbar ist dieser Zustand durch Messung der Glutamatmenge im zweiten Morgenurin. Naltrexon reduziert das erhöhte Glutamat über eine Verbesserung der Funktion des Glutamat-Transporters.
Low Dose Naltrexon bei Krebserkrankungen
Weltweit erkranken jährlich mehr als 12 Millionen Menschen an Krebs, fast acht Millionen sterben jedes Jahr daran. Krebs ist damit nach wie vor eine der größten Geißeln der Menschheit. Man kennt 100 verschiedene Krebsarten, jedes Organ und jedes Gewebe kann davon betroffen sein.
So vielfältig und gefährlich diese Krankheit auch ist, so unterschiedlich sind ihre Ursachen und Auswirkungen sowie die Heilungschancen. Risikofaktoren für Krebs sind divers, es zählen dazu das Alter, bestimmte Ernährungsgewohnheiten, Rauchen, Alkohol, Umweltgifte, genetische Faktoren, Stress, Infektionen, Strahlung, Immunsuppression und Stoffwechselprobleme.
Normalerweise sterben defekte Zellen ab, man nennt dies Apoptose oder programmierter Zelltod. Sind aber die genetisch angelegten Kontrollsysteme (Wächtergene) defekt, dann wird die Zellteilung nicht mehr konkret überwacht und es kommt zur ungehemmten Teilung von Krebszellen und folglich zur Metastasenbildung. Zeitgleich ist auch das Immunsystem mit der Bekämpfung von Krebszellen überfordert.
Die konventionellen Therapiemöglichkeiten: Operation, Bestrahlung und Chemotherapie
Für die medikamentöse Krebstherapie stehen Zytostatika zur Hemmung der Zellvermehrung zur Verfügung, seit neuerer Zeit auch Immuntherapeutika und Target-Substanzen. Es handelt es sich also um eine reine Symptombehandlung, die auf den Krebs gerichtet ist und nicht seine Ursachen bekämpft. Genau aus diesem Grunde ist der Durchbruch im Kampf gegen den Krebs noch nicht erreicht. Auch die Heilungsraten sowie die 5- oder 10-Jahres-Überlebensraten haben sich daher bisher nur marginal verbessert.
Das integrative Krebstherapie-Konzept der Klinik St. Georg
Wir bieten in der Klinik St. Georg seit Jahren ein integratives Krebstherapie-Konzept an. Hier kommen neben schulmedizinischen Therapiemethoden auch komplementär-medizinische Verfahren zum Einsatz, die es dem Patienten ermöglichen, seine Gesundheit wiederherzustellen.
Krebs ist eine Multisystemerkrankung, bei der die Krebsgeschwulst nur ein Symptom darstellt. Gestört sind viele Systeme, die damit erst den Boden bereiten, auf dem der Krebs wachsen kann. Je mehr die Therapie also an der Korrektur der gestörten Systeme arbeitet, umso wahrscheinlicher ist ihr langfristiger Erfolg ebenso wie die Verbesserung der Lebensqualität des Patienten und damit auch eine mögliche Heilung.
LDN-Therapie als wichtiger Baustein
Aus diesem Grund stellt auch die LDN-Therapie einen wichtigen Baustein in unserem integrativen Krebstherapie-Konzept dar. Wir wissen, dass bei vielen Krebskranken die Endorphinspiegel niedrig sind. Endorphine üben aber eine kontrollierende Wirkung auf das Krebswachstum und eine modulierende Wirkung auf das Immunsystem aus.
Die Wirkung von LDN lässt sich folgendermaßen erklären:
- vermehrte Bildung des Opioid-Wachstumsfaktors Met-Enkephalin und ß-Endorphin
- vermehrte Bildung von Opioid-Rezeptoren auf den Tumorzellen, wodurch Endorphine hier zunehmend den Zelltod einleiten können
- Erhöhung von natürlichen Killerzellen und ihrer Aktivität sowie der Lymphozyten-aktivierten CD8-Zellen, die auf den erhöhten Endorphinspiegel reagieren
Wir haben in den fünf Jahren, in denen wir Low Dose Naltrexon bereits eingesetzt haben, gute Erfahrung gemacht. Unsere Klinikapotheke stellt 2,0 und 4,0 mg-Kapseln oder eine 0,2 %ige Lösung (1,0 ml ≙ 2,0 mg) her.
Welche Tumoren haben wir bereits mit LDN behandelt?
Wir haben bei diversen Krebsarten sehr positive Erfahrungen mit der LDN-Therapie gemacht, so bei Blasenkrebs, Brustkrebs, Karzinoiden (neuroendokrine Tumoren), Dickdarmkrebs, Glioblastomen (Gehirntumoren), Leberkrebs, Lungenkrebs (nicht-kleinzellig oder kleinzellig), chronischer lymphatischer Leukämie (CLL), Lymphomen (Hodgkin und Non-Hodgkin), malignen Melanomen, multiplen Melanomen, Neuroblastomen, Eierstockkrebs, Pankreaskrebs, Prostatakrebs und Gebärmutterkrebs.
Die Krankheitsverläufe bei den behandelten Patienten sind teilweise erstaunlich. LDN stellt eine interessante, gut verträgliche Ergänzung zur konventionellen Standardtherapie dar, weil es deren Effektivität langfristig positiv beeinflusst. Es ist deshalb ein bedeutendes Mosaiksteinchen in unserem integrativen Krebstherapie-Konzept.
Nebenwirkungen von LDN
Da es sich bei der LDN-Therapie um einen sogenannten „Off-Label Use“ (zulassungsüberschreitende Anwendung eines Medikamentes) handelt, ist die Aufklärung des Patienten besonders wichtig. Dieser muss durch seine Unterschrift klarstellen, dass er über den Sachverhalt informiert wurde. Weil das Medikament außerdem verschreibungspflichtig ist, muss die Verordnung von Naltrexon als „Low Dose-Therapie“ auf einem Privatrezept bzw. einem grünem Rezept vorgenommen werden.
Naltrexon darf nicht mit Medikamenten kombiniert werden, die das Immunsystem unterdrücken (Immunsuppressiva oder Chemotherapie). Bei Schmerztherapie mit Opiaten ist ebenfalls Vorsicht geboten, da Low Dose Naltrexon deren Wirkung schwächen kann. Es ist strikt auf die vom Arzt verordnete Dosierung zu achten – 4,0 mg vor dem Schlafengehen sollten nicht überschritten werden.