In regelmäßigen Abständen werden wir uns mit dem Darmmikrobiom befassen, da es eine zentrale Rolle im Gesundheitsprozess spielt. Antibiotika, Stress und eine schlechte Ernährung bringen den Darm aus dem Gleichgewicht. Jeder Sechste in Deutschland ist von Verdauungsproblemen betroffen. Die gute Nachricht: Sie können aktiv etwas für Ihre Darmgesundheit tun.

In vielen Fällen wird das Mikrobiom empfindlich gestört durch Antibiotika und Umweltgifte, aber auch ein Ungleichgewicht bestimmter Fette in unserer Ernährung kann die Harmonie stören. Das zeigen wissenschaftliche Erkenntnisse der letzten Jahre. Die Bakterien im Darm, die unsere Darmflora ausmachen, tragen nicht nur zu einer gesunden Verdauung bei, sie schützen uns auch vor Krankheiten und stärken das Immunsystem. Die Darmbakterien entscheiden mit, ob wir z.B. an Krebs, Allergien, Asthma und Neurodermitis erkranken, oder eine entzündliche Darmerkrankung bekommen oder Lebensmittel nicht vertragen.

Ein Zuviel an langkettigen Fettsäuren, durch Wurst, Fleisch und Käse aktiviert das Immunsystem manchmal so sehr, dass auch körpereigene Strukturen angegriffen werden, es kommt zu Autoimmun-Reaktionen. Kurzkettige Fettsäuren (short chain fatty acids SCFA), wie wir sie in Pflanzen, Samen, Nüssen und Kernen finden, wirken dagegen dämpfend und regulierend auf das Immunsystem. Durch ballaststoffarme Ernährung kommt es zu einer Unterversorgung an SCFA. Durch gezielte Nahrungsergänzung mit den wichtigsten kurzkettigen Fettsäuren, Propionsäure, Butyrat und MCT kann die Lücke geschlossen werden.

Was bedeutet Darmgesundheit?

Was ist das eigentlich, ein gesunder Darm? Dazu gehört vielleicht mehr, als man im ersten Moment denkt. Es sind fünf Kriterien, die „Darmgesundheit“ ausmachen [1]:

  • keine Darmkrankheiten
  • eine wirksame Verdauung und optimale Aufnahme der Nahrung
  • eine normale und stabile Darmflora
  • ein starkes Immunsystem
  • allgemeines Wohlbefinden

Unser Darm entscheidet, ob wir bestimmte Nährstoffe wie Laktose vertragen, welches Essen Allergien hervorruft und was für uns gesunde Nahrung ist.

Der Darm ist mit einer Gesamtlänge von 5 bis 7,5 Metern unser größtes inneres Organ und wenn der nicht gesund ist, trifft das den gesamten Körper.

Abb. 1 Die Darmgesundheit spielt eine wichtige Rolle bei vielen Krankheiten sowie funktionellen Störungen, sowohl im körperlichen als auch im psychischen/mentalen Bereich.

Was ist die Aufgabe unseres Darms?

Unser Darm ist ständig damit beschäftigt, Nahrung zu verarbeiten und Krankheitserreger abzuwehren. Die wichtigste Phase der Verdauung findet im Dünndarm statt. Er zerkleinert unsere Nahrung so lange, bis alle wichtigen Nährstoffe, Vitamine und Mineralstoffe aufgenommen sind. Der Rest des Nahrungsbreis gelangt in den Dickdarm, von wo aus er ausgeschieden wird [3]. Von der Aufnahme im Mund bis zum Dickdarm verweilt das Essen fünf bis 70 Stunden in unserem Körper [4]. Wir streben für einen gesunden Darm aber eine Passagezeit von 24-36 Stunden für unsere Patienten an.

Es gibt neben der Verdauung noch eine weitere wichtige Aufgabe, die leider aber bis heute unterschätzt wird: aktive Unterstützung des Immunsystem im Darm. Der Verdauungstrakt wehrt ständig Krankheitserreger wie Bakterien, Viren, Pilzen, Umweltgifte und Toxine ab.

Welchen Einfluss hat der Darm auf das Gehirn?

Wie hängen das Darmmikrobiom und das Immunsystem zusammen? Während Omega-3-Fettsäuren in so ziemlich jedem Ernährungsratgeber und in zahlreichen Medien bis ins Detail diskutiert werden, erfahren kurzkettige Fettsäuren bislang noch wenig öffentliche Aufmerksamkeit. Zu Unrecht, wie aktuelle Studien nahelegen.

Wichtige Forschung zu kurzkettigen Fettsäuren

Kurzkettige Fettsäuren rücken in der medizinischen Forschung kontinuierlich stärker in den Fokus. Immer deutlicher zeigt sich, dass sie eine wichtige Rolle für den menschlichen Organismus spielen. Besonders intensiv wird ihr Einfluss auf das Immunsystem, auf Stoffwechselprozesse und auf das dort vorhandene Mikrobiom diskutiert. Eigentlich werden die speziellen Fettsäuren von Bakterien im Darm selbst hergestellt. In unseren Nahrungsmitteln sind aber aufgrund moderner Produktionsbedingungen immer weniger kurzkettige Fettsäuren und Ballaststoffe enthalten als früher.

Balance für den Darm, Immunsystem und den Fett- und Zuckerstoffwechsel.

Mittelkettige Triglyceride (MCT), Butyrate, Propionsäure greifen in die unterschiedlichsten Organfunktionen und Stoffwechselprozesse ein und haben damit einen großen Anteil am Erhalt der inneren Balance. Sie sind wichtig für:

  • eine vitale und vielfältige Darmflora
  • die Stabilität und Funktion der Darmschleimhaut,
  • die Fett- und Zuckerverdauung
  • für eine normale Leberfunktion
  • für die Immun-Balance

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Butyrat – Darmbakterien produzieren Treibstoff für Darmzellen

Butyrat ist die wichtigste Energiequelle für unsere Darmzellen und eine ganz bedeutende Schlüsselsubstanz für unsere Gesundheit.

Unsere Darmflora bildet zahlreiche Stoffwechselprodukte, die im Körper unterschiedliche Aufgaben übernehmen. Vor allem die Gruppe der kurzkettigen Fettsäuren, zu der Acetat (Essigsäure), Propionat (Propionsäure) und Butyrat (Buttersäure) gehören, sind wichtige Gesundheitsbooster. Sie entstehen im Darm vor allem durch den bakteriellen Abbau pflanzlicher Ballaststoffe, so genannter Präbiotika. Mehr als 70% der Energie, die Epithelzellen des Dickdarms und die Darmschleimhaut benötigen, gewinnen sie aus diesen kurzkettigen Fettsäuren.

Butyrat – Treibstoff für die Darmzellen

Von besonderer Bedeutung ist Butyrat, das Salz der Buttersäure. Sie ist für den Geruch von Käse, Sauerkraut, Erbrochenem oder Schweißfüßen verantwortlich und entsteht, wenn Butter ranzig wird. Doch für unsere Darmzellen ist Butyrat ein Leckerbissen und unerlässlich für deren Gesundheit und Funktionsfähigkeit, denn Butyrat ist der Treibstoff für unsere Epithelzellen. Ohne Buttersäure würden diese verkümmern und der Darm würde durchlässiger werden. Daneben reguliert Buttersäure wichtige Immunfunktionen, hält den pH-Wert des Darms im sauren Bereich, stärkt die Darmbarriere und beeinflusst Stoffwechselprozesse in Leber und Gehirn.

Butyrat–Bildner fördern

Durchschnittlich hat jeder Mensch etwa 20 Bakterienstämme im Darm, die Butyrat synthetisieren können. Die meisten stammen aus den beiden bakteriellen Hauptgruppen im Darm, den Firmicutes und den Bacteroidetes. Wenn wir präbiotische Ballaststoffe verzehren und ausreichend dieser nützlichen, butyratbildenden Bakterien im Verdauungstrakt beherbergen, die die Präbiotika verstoffwechseln können, dann steigt der Spiegel der wertvollen Fettsäure an. Mit etwas Geduld können wir also durchaus einen großen Einfluss auf den Butyratlevel im Körper nehmen.

Einseitige Ernährung, zu wenig präbiotische Ballaststoffe im Essen, oder auch eine längere Antibiotikatherapie können die Zahl butyratproduzierender Bakterien dezimieren. Fehlen die Butyratbildner, dann steigt das Risiko für Zuckerkrankheit, Übergewicht und Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Die Zahl der Butyratbildner hängt also davon ab, was wir essen. Kommt häufig Pflanzenkost auf den Teller, vor allem solche mit viel präbiotischen Ballaststoffen, dann vermehren sich die nützlichen Keime. Bevorzugen wir vor allem Fleisch, Wurst und Milchprodukte, dann nimmt die Zahl der Bakterien, die Buttersäure produzieren können, deutlich ab. Langfristig steigt dadurch das Risiko für Gewichtsprobleme, Leberverfettung, Diabetes oder Leaky-Gut-Syndrom.

Wer sorgt für Butyrat im Darm?

Butyratproduzierende Bakterien haben oft unaussprechliche Namen. Die wichtigsten Vertreter sind Faecalbacterium prausnitzii, Roseburia, Eubacterium, Ruminococcus, Butyrivibrio crossotus.

Wirkung der Propionsäure auf das Immunsystem

Propionsäure ist eine so genannte kurzkettige Fettsäure. Mangel an Propionsäure hat Konsequenzen, denn kurzkettige Fettsäuren – wie die Propionsäure oder deren Salze Propionat – führen eigentlich zur vermehrten Entstehung und gesteigerten Funktion von regulatorischen Zellen des Immunsystems, den T-Zellen. Diese Zellen wiederum reduzieren Entzündungsreaktionen und vermindern die Anzahl von Autoimmunreaktionen.

Propionat – Immun- und Stoffwechselregulator

Propionsäure oder kurz Propionat, steht in enger Verbindung zur Darmflora. Es kann ähnlich wie Butyrat von verschiedenen Darmbakterien aus Ballaststoffen gebildet werden. Durch die moderne, ballaststoffarme Ernährung kommt es, wie bereits betont, immer häufiger zur Unterversorgung an diesen kurzkettigen Fettsäuren. Das Gleichgewicht zwischen kurzkettigen und langkettigen Fettsäuren wird gestört. Langkettige Fettsäuren wirken eher entzündungsfördernd, während kurzkettige Entzündungen entgegenwirken.

Als natürliches Produkt des Verdauungsprozesses spielen sie eine wichtige Rolle für die Darmgesundheit, für den Energiestoffwechsel und für die schonende Regulation des Immunsystems. Aktuelle Studien machen Hoffnung, dass vor allem Menschen mit Autoimmunerkrankungen – wie zum Beispiel der Multiplen Sklerose – von der Forschung z.B. rund um die Propionsäure profitieren könnten. Propionat dient sowohl den Bakterien selbst als auch den Darmzellen als Energielieferant und hat zwei zentrale Funktionsfelder: Das erste ist, ähnlich wie Cholin, wichtig für den Zucker- und Fettstoffwechsel. Es reguliert den Zuckerhaushalt, indem es die Zuckerfreisetzung verlangsamt und so den Cholesterinspiegel im Blut stabilisiert. Zusätzlich unterstützt es die Bauchspeicheldrüse bei der Insulinproduktion.

Durch besseren Fettabbau werden weniger ungünstige Triglyceride gebildet. Für alle die abnehmen wollen, ist eine weitere Eigenschaft interessant. Es unterstützt die Bildung von Sättigung erzeugenden Hormonen.

Propionsäure kann Verlauf von MS positiv beeinflussen

Eine aktuelle Studie der Neurologischen Klinik an der Ruhr-Universität Bochum belegt, dass die Gabe von Propionsäure zusätzlich zu MS-Medikamenten die Zunahme von Behinderungen reduzieren kann: A. Haghikia et al konnten nachweisen, dass die kurzkettige Fettsäure bei Erkrankten zu einer geringeren Schubrate führt und das Risiko einer Behinderungszunahme verringert. Zusätzlich weisen Kernspin-Untersuchungen darauf hin, dass Propionsäure den Gehirnschwund verlangsamen kann.

Der Weg vom Darm bis zum Hirn

Vom Darm zum Gehirn ist es nur scheinbar ein weiter Weg: es konnte wiederholt gezeigt werden, dass das Darm-Mikrobiom einen signifikanten Einfluss auf die Entwicklung der MS hat – und dass man mit der richtigen Ernährung steuernd in das komplexe System eingreifen kann. Im Darm wird Nahrung von nützlichen Bakterien verstoffwechselt; dabei entstehen auf natürlichem Wege kurzkettige Fettsäuren – wie zum Beispiel die Propionsäure oder Butyrate. Es konnte jetzt erstmals gezeigt werden, dass die Zusammensetzung des Mikrobioms im Darm von – vor allem bei jüngeren – MS-Patienten verändert ist: in ihrem Stuhl und in ihrem Blut zeigte sich eine deutlich geringere Konzentration von kurzkettigen Fettsäuren als bei gesunden Personen.

In der Natur findet sich die Propionsäure in einigen ätherischen Ölen und in einigen Käsesorten. Anders als gesättigte, ungesättigte und Omega-3-Fettsäuren haben es diese kurzkettigen Fettsäuren (Short Chain Fatty Acids – SCFA) bislang nicht auf die Titelseiten der Ernährungsratgeber geschafft. Zu Unrecht, denn Studien zeigen, dass sie einen regulierenden Einfluss auf die Leistungsfähigkeit des Immunsystems haben. Doch kurzkettige Fettsäuren spielen auch bei verschiedenen Stoffwechselfunktionen eine wichtige Rolle.

Einfluss von Propio-Immun-Zellen bei MS-Patienten

Wie reguliert Propionsäure das Immunsystem? Das Immunsystem hat die Aufgabe, krankmachende und schädliche Bakterien und Viren zu identifizieren und zu bekämpfen. Gleichzeitig muss es in der Lage sein, nützliche und notwendige Bakterien im Darm zu erkennen und an dieser Stelle die Immunreaktion zu unterdrücken. Kurzzeitige Fettsäuren haben einen wesentlichen Einfluss auf diesen Mechanismus: Bei einer geringen Menge von kurzkettigen Fettsäuren kann etwa die Anzahl der regulatorischen T-Zellen abnehmen. Diese Zellen verhindern normalerweise die Entstehung von Autoimmunerkrankungen, also von Krankheiten, bei denen das Immunsystem überreagiert und beginnt, den eigenen Körper zu bekämpfen. Eine ausreichende Versorgung mit dem Salz der kurzkettigen Fettsäure kann dabei helfen, diese Entzündungen zu reduzieren. Beispiele für solche Autoimmunerkrankungen sind neben der Multiplen Sklerose vor allem Morbus Crohn, Schuppenflechte, Neurodermitis oder Rheuma.

Wie unterstützt Propionsäure die Darmgesundheit?

Propionsäure dient den nützlichen Darmbakterien als Nahrung, sodass sich ihre Zahl im Verhältnis zu den weniger nützlichen Darmbewohnern steigert. Durch die Ernährungsgewohnheiten in den westlichen Industrienationen ist die Versorgung mit kurzkettigen Fettsäuren allerdings oft zu niedrig, so dass die Zusammensetzung im Mikrobiom des Darms bei vielen Menschen nicht ideal ist.

Verstärkt werden kann dieser Effekt durch Erkrankungen wie Multiple Sklerose: Patientinnen und Patienten weisen oft ein ungünstiges Verhältnis der Bakterien im Darm auf. Auch die Zellen der Darmwand werden durch kurzkettige Fettsäuren versorgt. Diese Zellen bilden eine Schutzschicht auf der Darmwand, halten schädliche Bakterien und Viren ab und sorgen dafür, dass verwertbare Stoffe in den menschlichen Organismus gelangen.

Welchen Einfluss hat Propionsäure auf den Stoffwechsel?

Auch den Zucker- und Fettstoffwechsel beeinflussen kurzkettige Fettsäuren günstig: zunächst regen kurzkettige Fettsäuren die Insulinproduktion an, indem sie die Funktion der Bauchspeicheldrüse unterstützen. Insulin senkt den Blutzuckerspiegel und sorgt für ein Sättigungsgefühl, so dass der Hunger – gerade auf Süßes – deutlich nachlässt. Propionat verzögert zudem die Freisetzung von Zucker im Blut, sodass es den Cholesterinspiegel stabilisiert. Bestimmte Darmhormone sollen zudem durch die Aufnahme kurzkettiger Fettsäuren vermehrt ausgeschüttet werden. Dadurch wird die Magenentleerung verzögert, was den Appetit zusätzlich reduziert. Kurzkettige Fettsäuren sorgen außerdem dafür, dass die Neubildung von ungünstigen Fetten vermindert wird, die Herz-Kreislauferkrankungen begünstigen und zu Fettablagerungen führen können.

Der einfachste Weg, ein Einfluss auf die Konzentration von Propionsäure im Darm zu nehmen, ist die Ernährung. Je mehr Faser- und Ballaststoffe unsere Nahrung enthalten, desto besser können die hilfreichen Bakterien im Darm die kurzkettigen Fettsäuren herstellen. Ideal sind Gemüse, Vollkornprodukte, getrocknete Früchte oder Hülsenfrüchte. Um höhere Mengen der kurzkettigen Fettsäure zuzuführen, bietet sich zudem eine Einnahme von Propionsäure und Butyrat an.

Diese Form der Einnahme ist mit keinen Risiken verbunden? Seit vielen Jahrzehnten wird Propionsäure bereits in geringen Mengen erfolgreich als Lebensmittelzusatzstoff verwendet, z.B. damit Brot länger frisch bleibt – ein guter Beleg für die Verträglichkeit. So ist es wenig verwunderlich, dass sowohl die European Food Safety Authority (EFSA) als auch die amerikanische Lebensmittelbehörde US Food and Drug Administration (FDA) die Propionsäure als unbedenklich einstufen.

Bakterien und T-Zellen mit Propionsäure füttern

Das Mikrobiom von Patienten lässt sich also durch eine Nahrungsergänzung mit kurzkettigen Fettsäuren positiv beeinflussen. Propionsäure dient dabei den nützlichen Bakterien als Nahrung, so dass ihr Anteil im Darm-Mikrobiom steigt. Noch wichtiger aber ist ihr Einfluss auf die regulatorischen Zellen, die T-Zellen, die so besser mit Energie versorgt sind. Bereits nach zwei Wochen nach Supplementierung mit kurzkettigen Fettsäuren hat sich ihre Anzahl normalisiert und nach eben dieser Zeit konnte auch ein positiver Effekt auf den Hirnschwund gemessen werden.

Weitere Forschungen nötig

Trotz „Darm mit Charme“ und anderer Besteller rund um das Organ bleibt der Darm und seine komplexe Funktion im menschlichen Körper in großen Teilen mysteriös. Kurzkettige Fettsäuren bilden nur einen Bruchteil der Stoffwechselprodukte, die von den Bakterien gebildet werden, die friedlich in uns leben. Die Forschung fängt gerade erst an, die Zusammenhänge zwischen Gehirn, Darm und Immunsystem zu durchschauen und die daraus gewonnenen Erkenntnisse werden es erlauben, in Zukunft weitere innovative diätetische Maßnahmen und Therapeutika für viele chronisch degenerative Erkrankungen zu entwickeln. Aber nicht nur kurzkettige Fettsäuren spielen eine wichtige Rolle bei der Darmgesundheit, sondern auch Aminosäuren wie Glutamin.

Medizinische Relevanz von Glutamin

L-Glutamin ist die am häufigsten vorkommende freie Aminosäure des Körpers. Sie ist an mehr Stoffwechselprozessen beteiligt als jede andere Aminosäure. Die Konzentration in den Zellen ist ungefähr viermal höher als die im Plasma.

Die meisten Gewebearten sind in der Lage, selbst Glutamin zu produzieren, um es sodann ans Blut abzugeben. Besonders große Mengen der Aminosäure können jedoch die Skelettmuskulatur, Lungen, Gehirn und das Fettgewebe herstellen. Die Skelettmuskulatur übernimmt aufgrund ihrer großen Masse bei Weitem den größten Teil der Glutaminversorgung. Ungefähr 50 % des zirkulierenden Glutamins wird als Energiesubstrat eingesetzt und oxidiert, 10–20 % werden für die Glukoneogenese genutzt und der Rest wird für die Eiweißsynthese (wieder)verwendet. In vielen Fällen scheint Glutamin also ein essentieller Nährstoff zu sein. Besonders während außerordentlicher Belastungen, zum Beispiel bei Infektionen oder Verwundungen, kann sich der Bedarf an Glutamin, auf das bis zu Drei- oder Vierfache des normalen Verbrauchs erhöhen. Darauf reagiert die Muskulatur, indem sie das gespeicherte L-Glutamin für die Verwendung an anderer Stelle freisetzt. Wenn die Belastung nicht zu lange anhält, stellen sich die Glutaminspiegel in der Muskulatur schnell wieder her.

Bei langfristigem metabolischen Stress, wie zum Beispiel bei einer chronischen Infektion, ist der Bedarf an L-Glutamin aber sehr hoch – die Verfügbarkeit von L-Glutamin kann dann unzureichend sein. Dies wiederum kann eine Beschädigung der Muskulatur oder eine Immunschwäche nach sich ziehen. Hinzu kommt, dass bei Stress und Unterernährung die Aufnahme von Glutamin im Dünndarm drastisch abnimmt. Wenn dann die Darmflora dysbiotisch oder beschädigt ist, kann der Glutamin-Mangel drastische Formen annehmen. Bei einem Krankenhausaufenthalt oder Operationen kann dies zu ernsthaften Komplikationen führen.

Erhöhte Permeabilität des Darms und entzündliche Darmkrankheiten

Der Darm muss Nährstoffe aufnehmen, aber auch viele belastende Substanzen und Mikroben abwehren können. Glutamin spielt hierbei eine wichtige Rolle, da es die Darmbarriere verstärkt. Glutamin ist ebenso wichtig für die kontinuierliche Rekonstruktion schnell teilender Zellen des Darmepithels, insbesondere des Dünndarms. Diese Zellen regenerieren sich vollständig alle drei bis vier Tage.

Wie groß die Bedeutung von Glutamin für das Darmepithel ist, illustriert die Tatsache, dass 40 % des gesamten Glutaminverbrauchs im Darm stattfindet. Bei einem Glutaminmangel können Darmepithelien atrophieren, was nicht nur zu einer verringerten Absorption von Nährstoffen führt, sondern möglicherweise auch zu einer erhöhten Permeabilität des Darmepithels.

Die Darmepithelien nutzen Glutamin aus einem ganz bestimmten Grund als Energiequelle: die Aufspaltung von Glutamin setzt Stickstoff und Kohlenstoff frei. Diese Stoffe kommen sodann bei der Zellteilung zum Einsatz, um exakte Kopien der DNA zu bilden. Gerade schnell teilende Zellen sind empfindlich für Fehler bei der Vervielfältigung der DNA, was Mutationen und damit Krankheitsbilder wie Krebs entstehen lassen kann. Die Einnahme von zusätzlichem Glutamin scheint deshalb auch eine wichtige präventive Funktion zu haben: sie kann der Entwicklung von Darmkrebs und Krankheitsbildern wie Morbus Crohn oder Colitis Ulcerosa vorbeugen. So zeigt zum Beispiel eine aktuelle Studie mit Versuchstieren mit Colitis, dass eine Supplementierung mit Glutamin die Bildung von Narbengewebe verhindert. Narbengewebe ist eine unumkehrbare Folge von Darmentzündungen und kann zu Verengungen und Funktionsverlust des Darms führen.

Bei Patienten, die enterale oder parenterale Nahrung erhalten, beschleunigt Glutamin die Genesung, was mit ziemlicher Sicherheit auf seiner positiven Wirkung auf die Darmmukosa, der Verringerung der Permeabilität des Darmepithels und/oder auf der Prävention von S-IgA- Schwund beruht.

Cholin – der Fettregulator

Cholin, eine eiweißähnliche Substanz, wurde früher auch zu den Vitaminen gezählt und als Vitamin B4 bezeichnet.

Cholin ist ein essentieller Nährstoff, der zwar vom Körper hergestellt werden kann, allerdings in nicht ausreichender Menge. Es muss daher zusätzlich über die Nahrung aufgenommen werden. Dieser lipotrope (fettregulierende) Eiweißstoff ist wichtig für viele Stoffwechselvorgänge und Zellstrukturierungen.

Eine seiner wesentlichen Funktionen ist die Steuerung des Fetttransportes im Blut, in die Organe und Zellstrukturen. Ohne Cholin sind die Fette im Blut nicht transportfähig, sie verklumpen und lagern sich an den Gefäßwänden ab.

  • Cholin sorgt dafür, dass Cholesterin in den Körperzellen verarbeitet werden kann. Bei einem Cholin-Mangel kommt es zu dem gefürchteten Anstieg des Cholesterinspiegels im Blut.
  • Cholin schützt die Leber vor einer unkontrollierten Fetteinlagerung, die starke Funktionsstörungen der Leber zur Folge hat. Es unterstützt das Enzymsystem der Leber in seiner Entgiftungsfunktion.
  • Cholin wirkt auch senkend auf den Homocysteinspiegel im Blut.
LITERATUR

Ernährung beeinflusst den Verlauf von Multipler Sklerose (Ruhr-Universität Bochum)

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